Abenteuer Himalaya Trekking: Der Annapurna Circuit in Nepal
Unser Gastautor Bernd war im November 2016 allein auf der AnnapurnaRunde (Annapurna Circuit) in Nepal unterwegs. Mit seinen sehr eindrucksvollen Fotos und einem ausführlichen Reisebericht lässt er dich hautnah an seinem Trekking im Himalaya teilhaben… Viel Vergnügen beim Lesen.
Der große Traum vom Annapurna Circuit / AnnapurnaRunde (13.11.16-09.12.16)
Schon mehrere Monate plante, besser gesagt hoffte ich, irgendwann mal den Annapurna Circuit zu wandern. Da ich vor sechs Jahren den Schritt in die Selbständigkeit gemacht habe, erschien mir eine vierwöchige Auszeit lange für unmöglich. Doch dann ging es plötzlich schnell. Sieben Tage später stand ich im Kathmandu und wechselte Geld.
Noch bevor ich das große Büschel in meinem Rucksack verstauen konnte, wurde ich von allen Seiten von Taxifahrern belagert. Der Sieger konnte ich nicht abwimmeln und ich fand mich mit drei (!) Nepalesen in einem Taxi und glaubte zum Tourist Information Center kutschiert zu werden. Fehlanzeige – ich fand mich in einer Trekkingagentur wieder. Nach einer Stunde hat der Besitzer eingesehen, dass er mir keinen Träger und keinen Guide vermitteln konnte. Stattdessen habe ich ein Hotel für die kommende Nacht, zwei Nächte in Pokhara, den Flug von Pokhara nach Kathmandu, den Transfer ins Hotel und das Taxi zum Flughafen bei ihm gekauft.
Da es mittlerweile zu spät für das ACAP Ticket und die TIMS Card war, musste ich nochmal einen Hunderter für die Taxifahrt nach Besisahar zücken, die Busse fahren vor dem Öffnen des Tourist Information Center. Naja, dachte ich, hättest auch beim selber organisieren Zeit verlieren können…
Fahrt nach Besisahar
Am Morgen schaute ich mich um, was an Essbarem in Kathmandu zu finden war. So wie die Stadt aussieht und deren hygienischen Verhältnisse, entschied ich mich für Bananen und Mandarinen. Ich werde wohl nun vier Wochen Schälbares zu mir nehmen, davon war ich überzeugt.
Das Abholen vom Hotel klappte wie vereinbart mit etwas nepalesischer Verspätung und ich kam diesmal wirklich zum Tourist Information Center, um meine Permits zu lösen. Ohne große weitere Verzögerungen, lediglich die zwei nepalesischen Beifahrer wurden ausgeladen, wurde ich nach Besisahar gefahren. Recht komfortabel, wenn man die Erfahrungen von Busfahrten liest…
Besisahar – Bahundanda
Jetzt kann es richtig losgehen! Mehr oder weniger entlang des Flusses, durch Felder und kleine Siedlungen durch hügeliges Land.
Von der neuen Straße habe ich viel Negatives gelesen, mich selber hat diese aber nicht sehr gestört. In der Ferne sind die ersten Eisriesen zu sehen. Die Einheimischen sind sehr freundlich und nett, allerdings wittern sie hin und wieder ein Geschäft: Trotz Abraten bin ich wieder ohne Guide weitergepilgert… und wie es der Teufel will, bemerkte ich etwas zu spät, dass statt des Flusses, der auf meiner Linken sein sollte, sich ein Berg erhob. Ich habe mich verlaufen, also retour zu der verpassten Abzweigung.
Ein Rascheln ließ mich zur Wegböschung blicken. Eine Schlange! Bilder von Krait, Kobra & Co schossen mir durch den Kopf. Ich erkannte das Tier jedoch nicht und so beobachteten wir uns gegenseitig mit gehörigem Sicherheitsabstand.
Beim Aufstieg nach Bahundanda merkte ich zum ersten Mal, dass ich viel zu viel Gepäck dabei hatte. Das Aussuchen der Logde ging schnell. Die Lodgebesitzer passen die müden Trekker ab und versuchen diese in ihrer Unterkunft einzuquartieren. Ein lauwarme Dusche und mein erstes Dal Bhat (Was habe ich noch in Kathmandu mir gesagt?).
Nach dem Abendessen bewunderte ich noch die Aussicht, auch die Sicht auf die nächste Tagesetappe war gegeben. Grandios! Auf den namenlosen Bergen – auf Nachfragen sind dies keine Berge sondern „Just Hills“ – erkennt man kleine Siedlungen. Einkaufen im Tal muss ein Tagesausflug sein! Zufrieden mit mir und der Welt ging ich zeitig schlafen.
Bahundanda – Tal
Hier ist alles höher, weiter, größer… die „Just Hills“ haben mittlerweile Namen (Irgendwas mit Danda = Hügel) und sind über 4000m hoch. Der Weg geht durch das immer schmäler werdende Tal, die Alternativroute führt durch steile Hänge, hindurch durch grüne Wälder, tief ins Tal über Hängebrücken und wieder bergauf. Der Aufstieg nach Tal lässt mich wieder mein 18 kg auf dem Buckel verfluchen. Eine Lodge zu finden war wieder kein Kunststück, ich habe meine Wäsche gewaschen und anschließend zu Abend gegessen. Auf dem Land ist es sauber(er), keine Spur mehr von dem Dreck und Gestank der Hauptstadt. So bin ich guter Dinge, mich abwechslungsreich ernähren zu können, nur Fleisch möchte ich (vorerst) meiden. Auch löst sich meine Unsicherheit bezüglich des Wegs und Unterkunftsfindung. Es wird deutlich kühler! Ich bin schneller unterwegs als geplant, mache weitere Etappen. Den „verlorenen“ Tag in Kathmandu habe ich bereits aufgeholt. Frei nach der nepalesischen Art, habe ich nicht mehr den fixen Plan im Kopf und prompt kommen mir neue Ideen: Ein Abstecher nach Ghandruk am Ende des Treks oder ein Himalaya-Rundflug.
Tal – Timang:
Irgendwie bin ich am Morgen nicht in die Gänge gekommen und spät losgelaufen. Die erste Zeit ging es gemütlich nur leicht ansteigend am Fluss entlang. Die Gegend verändert sich wie jeden Tag davor. Es wird gebirgig. Beim anstrengenden Aufstieg durch Urwald konnte ich Affen beobachten. Die Landschaft ist traumhaft schön, es sind die ersten richtig hohen Berg zu sehen: Manaslu, Peak 29, usw.
Ich beobachte den Sonnenuntergang an den Bergen – ein irrsinniger Blick! Dabei merke ich, wie ich innerlich zur Ruhe komme, weg von all dem Stress und Hektik. Hier laufen die Uhren ungenauer und langsamer – einfach herrlich. Die Blätter fallen von den Bäumen, auf den Pfützen bilden sich Eisschichten, es wird Herbst auf 2600 m und das Mitte November! Zuhause haben wir Schnee und die Bäume sind längst kahl. Bittere Kälte treibt mich in die Lodge. Das heutige Tagesziel habe ich nicht erreicht – total egal, ich bin im Urlaub!
Timang – Dhuker Pokhari
Der Start viel mir schwer: Zu kalt, zu warm, zu anstrengend, Durst, … Das legte sich aber bald und ich kam gut voran.
Der Weg führt durch Bergwald mit teils steilen Hängen. Wie aus dem Nichts, war vor mir plötzlich die Annapurna II zu sehen. Wahnsinn! Gewaltig! Dimensionen, die man sich nicht vorstellen kann, 5.000 m Höhenunterschied auf so kurze Distanz – zum Greifen nahe!
Etwa eine (!) Stunde von einer Siedlung entfernt traf ich drei Mädchen am Holzsammeln. Das Leben hier ist mühsam, jede hatte einen großen Korb mit Brennholz dabei. Mein Rucksack schien mir plötzlich ganz leicht. Die Kinder fragten mich nach Wasser, was ich ihnen gerne gab. Diese Dankbarkeit habe ich bisher wohl kaum gesehen. Leider haben sie Umweltschutz noch nicht gelernt, denn die Folie um den Verschluss wurde einfach fallen gelassen. Der Gedanke an das was mit meinen leeren Flaschen passieren wird hat mich zum Umstieg auf Micropur – das war meine Notfalllösung- bewegt.
Erstaunlich, wie es von Tag zu Tag kälter wird. Hier muss es auch untertags um die 0°C haben. Die Pfützen sind schon teilweise durchgefroren. Zu Beginn bin ich nur im T-Shirt schwitzend marschiert, nun ist langärmlig angesagt. Eigenartigerweise habe ich bis auf die Zeit am Abend und Morgen in den Lodges nie wirklich gefroren – auch nachts war es in meinem Schlafsack immer warm.
Heute habe ich ständig umgeplant – typisch Nepal. Ich denke daran, den letzten Teil des Treks auszulassen um länger in den Bergen bleiben zu können. Hier gefällt es mir! Aber irgendwo werde ich etwas versäumen…
Es ist ungewohnt weder Wochentag, Datum und Uhrzeit zu wissen. Und schaue ich doch mal aufs Telefon habe ich die Uhrzeit schon eine Minute später vergessen. Herrlich! So eine Trekkingtour ist wunderbar zum Abschalten.
Dhuker Pokhari – Ngawal
Heute habe ich es gemütlich genommen, was bei der Landschaft trotzdem noch zu schnell ist! Die Berge und die Aussichten sind schlicht weg überwältigend, jeder Versuch die Schönheit zu beschreiben zum Scheitern verurteilt. Ich habe den Panoramaweg über Upper Pisang gewählt. Die Höhe ist mittlerweile zu merken, aber gottseidank keine Anzeichen von Höhenkrankheit.
Eigenartigerweise beindruckt, beginne ich mich für die Religion der Einheimischen zu interessieren. Mit welcher Hingabe hier Manisteine, Gebetsmühlen, Chörten, Gompas errichtet wurden. Hier wurde unsagbar viel Arbeit von Menschen verrichtet, denen das Leben hier auf dieser Höhe schon schwer genug ist und die finanziellen Mittel knapp bemessen sind.
Auf dem Weg konnte ich einige majestätische Geier in der Thermik kreisen sehen und „zu klein gerate“ Hasen mit kleinen Ohren beobachten. In Ghyraru sprach mich eine herzige, alte Frau an und wollte mich mit Händen, Füssen und ein paar Brocken Englisch zum Bleiben überreden. Nach einem gemeinsamen Foto und dem Versprechen, dass ich wiederkomme (das halte ich 2020 oder 2022 ein), zog ich weiter.
Obwohl ich staunend den Panoramaweg dahintrödelte war ich am Nachmittag froh kurz vor Ngawal meinen Rucksack aufs Bett in der zweiten Lodge zu werfen. Nach kurzer Pause musste ich wieder raus die Landschaft genießen. Der Abend im Speisesaal fiel für mich kurz aus, ein paar Trekker feilschten um Gratisübernachtung und rauchten Joints. Wie kann man nur?! Keine vier Euro für die Lodgebesitzer ausgeben aber Geld in Drogen investieren! Ein No Go für mich. Dafür fehlt mir jegliches Verständnis. So verkroch ich mich früh in meinen kuscheligen Schlafsack und ließ den wunderbaren Tag Revue passieren und schrieb noch in mein Reisetagebuch:
„Die Wege sind weit, die Aufstiege anstrengend, aber maßlos überfordernd sind die Aussichten und Eindrücke!!!“
Ngawal – Braga
Schon wieder eine Umplanung! Statt nach Manang zu gehen, schlenderte ich nach Braga. Ich mag keine Städte, obwohl Manang lediglich ein größerer Ort im Annapurnagebiet ist, zog ich es vor im kleinen Braga zu bleiben und mich hier zu akklimatisieren. Ich war mir unsicher von wo die leichten Kopfschmerzen kamen. War es die Bettkante der Vornacht, die mich einige Male erwachen ließ oder doch ersten Anzeichen von Höhenkrankheit?
Eine Stunde des Nachmittags nutzte ich für „Bürotätigkeit“ und telefonierte über Whats App und las E-Mails. Nachher ging es gepäcklos nach Manang und zum Gangapurna Lake. Die Landschaft wird jeden Tag atemberaubender. Vom Gletschersee des Gangapurna mit seinem pittoresken Sonnenuntergang über den Bergen konnte mich nur die einbrechende Nacht und die Kälte zurück in meine Unterkunft treiben.
Icelake
Akklimatisationstag! Pause? Nicht wirklich! Eine wunderschöne Tagestour zum Icelake stand am Programm.
Anfangs hatte ich Probleme mit Durchfall, das legte sich gottseidank nach dem dritten Busch wieder. Als Solotrekker auf dieser Höhe deute ich jedes Wehwehchen auf Anzeichen auf Höhenkrankheit, was mir allerdings erspart blieb. Beim Aufstieg wunderte ich mich, weshalb so viele Einheimische unterwegs waren. Ein Mann versuchte mir etwas zu erklären (Jungleburn). Ich habe es nicht verstanden. Erst später erklärte man mir, dass es einen Waldbrand gibt. Kurz danach war auch Rauch zu sehen. Eine Zeitlang wollte ich helfen, aber wie?
Ich ging dann doch Richtung Icelake. Es war ein Aufstieg von ca. 1.150 m bis auf 4.620 m. So hoch war ich noch nie! Trotz leichtem Gepäck war es wirklich anstrengend, die Höhe merkte ich deutlich. Sehr willkommen war auf 4.200 m das neue Teahouse, wo ich mich stärkte und Rast machte. Die Strapazen haben sich aber mehr als nur gelohnt. Die Aussicht ist unwahrscheinlich imposant. Ein Panoramablick der Konkurrenz sucht!
Und wieder: Was sind das für Leute, die auf 4.600 m Höhe weit abseits von der nächsten Ortschaft eine kunstvolle Chörte bauen? Auch jene, die die Wanderwege bauen und teilweise mit Randsteinen einfassen, haben meine vollste Hochachtung. In dieser Höhe funktioniere ich als Mitteleuropäer nur noch und wäre nicht in der Lage zusätzlich zu schuften und zu werkeln, da ich genug mit mir zu tun habe.
Braga – Hotel Tilicho Peak (Khangsar)
Abstecher zum Tilicho Lake Trek: Ich war mir des Weges so sicher, dass ich meine Karte nicht mit dem Wanderführer Annapurna Treks von Stephan Baur und Susanne Arnold verglich. Der Weg wurde immer schmaler, bis ich vor einer „Landslide Area“ stand. Wenn ich hier ausrutschte, fände ich mich verletzt im Bachbett wieder. Also ging ich zurück bis der Hang etwas weniger steil war und umging die gefährliche Stelle und dann auf der „falschen“ Talseite weiter. Immer in der Hoffnung, irgendwann eine Brücke zu finden um trockenes Fußes den Fluss queren zu können. Der Pfad führte durch einen schönen Nadelwald auf weichem Boden. Herrlich hier zu laufen. Mitten im Wald traf ich auf ein Areal, wo Bäume gefällt wurden und noch vor Ort zu Bretter und Balken weiterverarbeitet wurden. Alles händisch versteht sich. Das muss ein Knochenjob sein! Wenig später entdeckte ich die erhoffte Brücke und erreichte bummelnd das anvisierte Tagesziel Khangsar.
Da es mir hier nicht gefallen hatte, ging ich weiter und wollte zum Hotel Tilicho Peak, von dem ich gelesen hatte. Vorbei an einem neu entstehenden Kloster, ging es den Hang hinauf. Die Nachmittagssonne machte meinen Rucksack gefühlt noch zehn Kilogramm schwerer. Bei den Handvoll Lodges angekommen, genoss ich zuerst die grandiose Aussicht auf die 7000er des Annapurna Himal bevor ich mein Zimmer bezog, um danach wieder die Aussicht zu genießen, bis es schattig und kalt wurde. Bald nach dem Abendessen mümmelte ich mich in meinen Schlafsack. Die erste Nacht über 4.000 m war nicht ungestört. Immer wieder erwachte ich und erschrak auf eigenartige Art und Weise: Beim letzten Atemzug vor dem Schlaf füllten sich zwar meine Lungen aber gefühlt war das eine leere Atmung. Als ob man durch Luftballon atmet. Ein schwer zu beschreibendes Gefühl, das mich urplötzlich immer wieder hellwach werden ließ. Das macht also die Höhe mit mir…
Hotel Tilicho Peak – Tilicho Base Camp
Eigentlich wollte ich absteigen. Aber da ich mich am Morgen wirklich gut fühlte, schulterte ich den Rucksack und ging Tal einwärts. Leider wieder mal vorbei an einer Müllkippe. Schade! Ob es nicht möglich ist eine Organisation ins Leben zu rufen, die die Reinhaltung dieses herrlichen Gebiets sich zur Aufgabe macht? Es gibt Hilfsprojekte für z.B. Schulen, Wiederaufbau nach dem Erdbeben, Erschließung von Gebieten und Ortschaften und andere Hilfsprojekte, weshalb nicht eine für Umweltschutz? Wie kann man die Touristen UND die Einheimischen für Umweltschutz sensibilisieren und motivieren? Eine Erhöhung des ACAP Permits um 1 € verschmerzt jeder Trekker, und mit der Masse an Touristen würde hier ein stattlicher Betrag zusammenkommen, welcher für die Bezahlung für Müllentsorgung aufgewendet werden kann. Auch müsste es möglich sein, in Zusammenarbeit mit einem Schulprojekt, Flurreinigungsaktionen durchzuführen. Das Transportproblem sehe ich auch nicht sehr problematisch. In die Täler werden Lebensmittel für die Touristen transportiert, weshalb nicht auf dem Retourweg deren Müll wieder hinaus auf eine Deponie oder wünschenswerterweise zum Recycling schaffen? Falls das jemand mit ernsthaftem Interesse liest, ich bin dabei (organisatorisch und finanziell) und über bernd.salzgeber(at)sprengdienst.at erreichbar.
Nur leicht ansteigend schlängelt sich der Weg entlang des Hangs im wärmenden Sonnenschein. Vor mir taucht viel beschriebene „Landslide Area“ auf. Gigantische Dimensionen. Gegenüber – fast zum Greifen nahe – erhebt sich der Bergkamm mit den Gipfeln, der zum Tilicho Peak führt. Zum ersten Mal sind Blauschafe zu sehen, die gar nicht scheu das spärlich wachsende Berggras äsen. Über eine weitere Hängebrücke Nepals geht es über einen guten Weg über einen Felsanstieg. Kurz darauf ist der gigantische Hangrutsch aus der Nähe zu sehen. Eine riesige Schotterhalde durch den der Weg der nächsten 20 min zu erkennen ist. Nicht so steil und gefährlich wie der Trampelpfad des Vortags, bei dem ich zu sehr auf die „falsche“ Karte vertraute und umgekehrt bin, aber äußerst beeindrucken. Bei den Stellen, wo der Steg mit Zweigen durch den immer in Bewegung befindlichen Hang gesichert ist, äugte ich immer mit einem Auge nach oben um möglichen Steinfall rechtzeitig zu bemerken. Richtung Tilicho Peak blickend, sah man, dass es dort sehr windig sein musste. Beim Tilicho Base Camp angekommen, war der Wind schon so unangenehm, dass ich mich bald unter Dach verzog. Aus der Gaststube beobachtete ich das Wetter und den Sandsturm und hatte Befürchtungen für den nächsten Tag, die sich nicht bewahrheiten sollten.
Erst nach meinem Trip bin ich auf burning-feet.com gestoßen und habe Stefans Schülers sehr empfehlenswertes Buch „Nepals Donnerpass“ gelesen. Aus seinen Schilderungen sind wir uns irgendwo an diesem oder nächsten Tag begegnet. Die Welt ist ein Dorf…
Tilicho Lake
Es war eine gute Nacht – ohne weitere Anzeichen von Höhenschwierigkeiten! Im kalten aber windstillen und schönen Morgen trottete ich langsam und erleichtert ohne Rucksack Richtung Tilicho Lake. Nur zwei Liter Wasser und ausnahmsweise zwei Snickers habe ich in meine warme Jacke verstaut.
Der Aufstieg war wesentlich länger und beschwerlicher als ich bei der Tourplanung (zu Hause in den österreichischen Alpen) erwartet habe. Die Höhe hat es wirklich in sich, ohne dass ich je ernsthafte Höhenprobleme hatte. Nicht so erging es einem bekannten Gesicht, das ich Tage zuvor getroffen hatte. Sie hatte umgekehrt und war deutlich angeschlagen und berichtete über höllische Kopfschmerzen und Übelkeit.
Nach dem der Weg ins flacheres Gelände wechselte, erwartete ich bald den Tilicho Lake zu sehen. Aber ich musste mich noch etwas gedulden. Es kam kalter Wind auf, als ich von zwei Nepalesinnen in sehr dünner Kleidung und in Jesuslatschen überholt wurde. Ich wunderte mich über deren „Ausrüstung“ und zog den Reißverschluss meiner Jacke vollständig zu. Vor mir war eine Geländekuppe und ich konnte Gebetsfahnen waagrecht im Wind flattern sehen. Ich war am Tilicho Lake. Der Blick ist abgöttisch und nicht in Worte zu fassen. Links die Eiswände des Tilicho Peaks, vor mir der tiefblaue See in dem Eisschollen trieben und rechts davon eine fast wüstenähnliche Landschaft aus der „kleinere“ Gipfel ragten. Einer dieser Spitzen fällt mit seiner braun / schwarz gestreiften Gesteinsschichtung besonders auf. Ein kurzes Video und einige Fotos gemacht und danach schnell wieder die frierenden Hände in die Handschuhe gesteckt. Der bitterkalte Wind lies mich weg von der Kuppe gehen. Etwa einen Kilometer am rechten Ufer entlang machte ich auf einem Hügel ausgiebig Rast und bestaunte die Landschaft.
Wie konnte sich nur so viel Eis auf den Wänden des Tilicho Peaks halten? Oder doch nicht! Eine Lawine stürzte über die Steilwand. Ein Naturereignis, das ich noch nicht sehr oft beobachten konnte. Auf meinem Hügel war ich alleine, sogar der Wind war hier nicht zu spüren und die Sonne wärmte ein bisschen. Eine zeitlang überlegte ich noch zum See abzusteigen, tat das aber nicht, weil ich an den Wiederaufstieg denken musste. So blieb ich auf meinem Hügel und fühlte mich wie ein König. Das erste Mal auf über 5.000 m! Mit etwas Wehmut musste ich irgendwann den Retourweg antreten und sog hinter dem kleinen Teehaus nochmals das einmalige Panorama auf. Am Abend notierte ich:
„Nicht Kraft, Ausdauer oder Kondition sondern der Wille und die Landschaft lässt einen höher steigen. Ob die Bergsteiger, welche diese Gipfel erklettern, auch so denken?“
Tilicho Base Camp – Yak Kharka
Irgendwie hatte ich aufgrund der Entfernung Respekt vor der heutigen Tagesetappe. Es ging aber gut. Es gab keine großen Anstiege. Einige Male konnte ich Blauschafe beobachten und kam an Yakherden vorbei, die auf dem trockenen, kargen Boden doch noch etwas Fressbares fanden.
Kurz bevor ich wieder auf den eigentlichen Annapurna Trek zurückkam, stieg ich durch ein Birkenwäldchen ab. Schon verwunderlich, dass in dieser Höhe überhaupt noch Bäume wachsen können. Das raue Klima hat die Bäume aber schon schwer gezeichnet. Nach der Bachquerung kam ich wieder in die Sonne und genoss im Teehaus eine Kleinigkeit bevor ich den Anstieg nach Yak Kharka in Angriff nahm. Die heutige Route führte durch eine atemberaubende Landschaft mit großartigen Fernblicken.
In Yak Kharka angekommen, hatte ich mich zu schnell im Yak Hotel zum Übernachten überreden lassen. Es war nicht die beste Lodge, aber die günstigste des ganzen Treks. Die Übernachtung kostete nichts, wenn ich zum Abendessen und Frühstück hier esse und das ohne Handeln!
In den letzten Tagen beschäftigte mich der Thorung La immer mehr. Anfangs war das gar kein Thema – einfach rüber laufen und fertig. Nun dachte ich etwas respektvoller darüber. Es ist eine weite Etappe, auch der Rucksack wird sich melden und vor allem die Höhe. Viele empfehlen noch im Dunkeln zu starten. Es wird machbar sein, ich war schon auf über 5.000 m und heute war auch eine weite Etappe. In zwei Tagen werde ich es wissen. Mit diesen Gedanken fiel ich in einen wenig erholsamen Schlaf. Dadurch das die Tür mit einen 5 cm Spalt schloss und das Fenster auch nicht als dicht zu bezeichnen war, habe ich erstmals in der Nacht längere Zeit gefroren und die Matratze war nicht dicker als eine Isomatte, so lag ich relativ hart. Aber bei einer geschenkten Nacht schaut man nicht auf Komfort.
Yak Kharka – Thorung Pedi
Wahrscheinlich empfand ich die Tagesetappe wegen der letzten Nacht als mühsam. Die Blicke zurück auf die Eisriesen waren enorm. Unterwegs waren viele Blauschafe, Geier und Yaks zu sehen. Was die wohl zu Fressen finden?
Eigentlich wollte ich im High Camp übernachten, entschied mich aber doch in Thorung Pedi einzunisten. Der letzte Schlafplatz war 500 m tiefer und noch weiter aufzusteigen erschien mir nicht sinnvoll. Lieber starte ich eine Stunde früher und riskiere dafür weniger mit der Höhe.
Ob aus meinem Projekt „Clean Annapurana“ etwas wird, bezweifle ich sehr. Ein Träger hat bei einer Pause seinen Plastiksack achtlos in den Wind geworfen. Wie und weshalb soll man helfen, wenn nicht einmal die Einheimischen auf die Natur achten, von der sie leben, dachte ich mir verärgert.
Aus meinem Nachmittagsspaziergang wurde eher ein Aussichtgenießen, anstatt zum High Camp aufzusteigen und den morgigen Weg auszukundschaften. Beim Abendessen lauschte ich auf Gespräche anderer Wanderer, wann denn diese am Morgen aufbrechen würden. Ich entschloss mich der Minderheit anzuschließen und erst im Tageslicht loszugehen. Im Morgengrauen erwachte ich ohne Wecker mit dem mir bereits bekannten Phänomen der „leeren Atmung“. Das wäre wahrscheinlich im High Camp schlimmer gewesen.
Thorung Pedi – Muktinath
Der große Tag der Passüberschreitung ist gekommen! Langsam trottete ich den Hang an einer kleinen Herde Blauschafen vorbei Richtung High Camp. Die ersten Sonnenstrahlen küssten die Gipfel, es war ein bitterkalter, klarer Morgen. Mein Buff war über Mund und Nase gezogen, die Feuchtigkeit von der Ausatmung gefror am Stoff. Vom High Camp führte rechts ein Pfad auf einen Gipfel, der nicht allzu weit entfernt schien. Also Rucksack ablegen und hinauf! Oben angekommen wurde ich von der wärmenden Sonne begrüßt und mit einem sensationellen Rundumblick belohnt. Das Tal lag noch in dunklem Schatten und die Berge erstrahlten im gleißendem Sonnenschein. Ein Bild für Götter! Ehrfürchtig blickte ich in Richtung Thorung La und erahnte, was ich noch vor mir hatte. Mittlerweile war auch das High Camp nicht mehr im Schatten und Schritt für Schritt kam ich voran. Und wieder traf ich die Trekkerin, die zum Tilicho Lake Höhenprobleme hatte. Wir wechselten ein paar Worte und sie bat mich um einen Schokoriegel. Da sie keinen fitten Eindruck machte, wollte ich ihr helfen und mit ihr gehen. Da sie das aber nicht wollte, ging ich in meinem eigenen Schneckentempo weiter. Auf etwa halber Strecke waren die Einkehr und ein heißer Tee im Teahouse sehr willkommen. Vom Pass kamen einige Pferde, wahrscheinlich haben diese ein paar Trekker auf den Pass getragen. Wie so oft gelesen, vermutete ich bald hinter jedem Hügel, jeder Wegkurve den Pass und musste feststellen, dass dem noch nicht so ist.
Doch dann: Blau, weiß, rot, grün, gelb! Gebetsfahnen am höchsten Pass dieses Urlaubs. Erleichtert legte ich meinen Rucksack neben zwei Fahrräder (!) von Radtrekkern und freute mich wie ein kleines Kind, den Thorung La ohne Probleme erreicht zu haben.
Vom Pass führten noch Wege in Richtung der angrenzenden Berge. Nach rechts führte der steile Pfad zum Fuß des Yakgawa Kang, von hier irgendwo könne man den Annapurna I, der auf der ganzen Annapurna Umrundung nie in Sicht kommt, sehen können. Der Aufstieg schien mir aber zu anstrengend. Nach einer ausgiebigen Pause und unzähligen Fotos, stieg ich noch 30 Höhenmeter auf die linke Seite auf einen Hügel, um ein Foto vom Pass von oben zu machen. Schließlich trat ich den langen Abstieg nach Muktinath an. Die Landschaft im oberen Tal des Thorung Khola ist eine deutlich kargere. Die Berge nicht mehr so hoch und mit weniger Eispanzern behangen. Eine wunderschöne hohe Steinwüste! Rasch verlor ich an Höhe und konnte somit noch bei den ersten Einkehrmöglichkeiten mir eine Cola und einen Schokoriegel gönnen. Der Weg wurde Richtung Etappenziel flacher und schon bald bezog ich mein Zimmer in einem Hotel, das mir zusagte. Nach eine herrlichen warmen Dusche und etwas Ausruhen, gönnte ich mir das erste Fleisch in Nepal – Yaksteak! Der Abendspaziergang habe ich ersatzlos gestrichen. Stattdessen schrieb ich in mein Reisetagebuch:
„Das war das körperlich Anstrengendste was ich je gemacht habe. Ein eigenartiges Gefühl kommt in mir auf, es gibt auf dem verbleibenden Trek keine wirklichen Herausforderungen mehr. Icelake, Tilicholake und der Thorung La sind erreicht. Der Aufstieg zum Poon Hill wird ein Kindergeburtstag nach den vergangenen Tagen werden.“
Froh, dass ich erst bei Tagesanbruch losgegangen bin und Muktinath noch lange vor der Dunkelheit erreicht zu haben, lies ich den Tag Revue passieren und sinnierte meine Gedanken. Die Nacht verschlief ich wie ein Stück Fels, nicht einmal erwachte ich. Ich war auch schon wesentlich tiefer wie die Tage zuvor…
Muktinath – Kagbeni
Irgendwie wehmütig, da der Trek keine wirklichen Herausforderungen mehr hat, ging ich Richtung Kagbeni. Leider wählte ich den Normalweg und kam mir vor wie auf einer ewigen Straßenbaustelle. Das erste Mal hat mich die Straße störte. Hätte ich mich doch für eine Alternativroute entschieden!
Nach der kurzen Tagesetappe kam ich in Kagbeni an. Am Nachmittag schlenderte ich durch die Ortschaft und ins Flussbett des Kali Gandhaki. Taleinwärts blickte ich in das für Trekker erst vor kurzem geöffnetem Upper Mustang (das verbotene Königreich). Auf dem Rückweg ins Dorf entdeckte ich ein Café mit richtigem Kaffee. Zwei doppelte Espresso hoben meine Stimmung und ich ging zu meinem Abendspaziergang ins riesige Bachbett. Die Blicke bei der untergehenden Sonne Richtung des noch hellen Nilgiri waren grandios.
Kagbeni – Tukuche
Als meinen Weg durch die tiefste Tal der Erde wählte ich vorerst den durch das breite, einer riesigen Geröllhalde gleichende Bachbett, bevor es weiter über schöne Wanderwege ging. Ein Variantenweg der die Straße und die Ortschaften meidet, führte mich zum Dhumba Lake, ein schöner kleiner See mit den ersten Bäumen im Kali Gandhaki Tal. Das Grün ist eine willkommene Bereicherung im staubtrockenen und kargen Gebiet. Ab dem späten Vormittag weht hier ein kräftiger Wind, der die Vegetation austrocknet. Die Luft wirkt leicht trüb und staubig. Die Berge erscheinen ein wenig blass.
Mutterseelenallein war ich unterwegs und entschied mich doch nicht etwas auf der anderen Flussseite zurück nach Marpha zu wandern. Stattdessen ging ich weiter talauswärts, auf der linken Talseite – ein Fehler, wie sich herausstellte. Bei Tukuche ist eine Brücke im Wanderführer sowie in meiner Karte beschrieben. Diese wird aber zur Regenzeit abgebaut, aber wir haben ja den 30.11. und der Monsun ist ja schon lange vorbei… Falsch gedacht! Also hieß es Retour und über eine fixe Brücke. Zwar äugelte ich immer wieder zum Bach, um mich eventuell auf ein nasses Abenteuer einzulassen, aber es schien zu riskant. Mitten im Wald traf ich auf eine Abfalldeponie. Ich muss unbedingt an meinem Müllprojekt dranbleiben!
Nach einem langen Wandertag war ich froh, eine schöne Lodge gefunden zu haben und bald Schlafen zu gehen. Obwohl ich nichts über meine Herkunft Preis gab, sprach mich der Hausherr plötzlich mit gutem Deutsch an. Nichts wurde aus meiner frühen Nachtruhe! Wir plauderten lange über Land und Leute. Auch über das „Abfallprojekt“ und weshalb das so schwierig sein wird. Der Einheimische macht sich darüber keine Gedanken! Patrick, der Hauswirt, nennt auch das Beispiel der Motorräder hier auf der Straße. Es sind fast ausschließlich Straßenmaschinen und keine Enduros, die hier wesentlich besser wären. Es war schon „immer“ so und es wird noch lange so bleiben, gibt er zu bedenken.
Tukuche – Ghasa
Anfangs ging ich ein Stück der Straße entlang, bevor ich auf die andere Talseite auf eine neue (alternativ) Route laufen konnte. Meine Bergschuhe habe ich gegen die bequemen Turnschuhe eingetauscht. Ich merke trotzdem, dass ich nicht auf einem Spaziergang befinde. Das tagelange Tragen des Rucksacks macht mir schon zu schaffen. Naja ich schleppe auch viel zu viel unnötiges Zeugs mit.
Hier wird wieder Ackerbau und auch Obstbau betrieben, insgesamt wird es wieder grün und deutlich wärmer. Nur ab Mittag stellt sich der Wind ein. Erstmals auf meinem Trip verdecken ein paar kleine Wolken die Sicht auf die Berge. Trotzdem konnte ich schöne Bilder vom imposanten Bilder Dhaulagiri knipsen und in meine Erinnerungen einbrennen. In einem Kiefernwald huschten ein paar scheue Affen vor mir weg. Diese Tiere verbinde ich eher mit Palmen als mit Nadelwald.
Ghasa – Tatopani
Heute war der Himmel schon von der Früh weg bedeckt. Nach Regen hat es aber nie ausgeschaut. Es herrscht hier eine andere Klimazone, Kakteen, Citrusfrüchte und Bananenstauden wachsen hier nebeneinander. Anfang Dezember werden die Gärten frisch bepflanzt. Also wird hier nicht mit Schnee und Winterskälte gerechnet. Ab sofort kommt die lange Unterwäsche zurück in den Rucksack. Wieder schwerer! Nach der Mittagsrast ging ich ohne meine Trekkingstöcke weiter, das war eine Wohltat für die Schultern.
In ganz Tatopani scheint es kein funktionierendes WLAN zu geben. Man sagt das Kali Gandhaki Tal sei weiter entwickelt als das Manang Tal. Das kann ich nicht bestätigen, hier leben viele Menschen in erbärmlichen Hütten und wenn ich das bei meinem Abendspaziergang richtig gesehen habe, teilweise ohne Strom. Heute in einer Woche bin ich wieder zu Hause. Der Trek neigt sich leider dem Ende zu. Es wäre möglich in zwei Tagen in Pokhara zu sein. Ich möchte es langsamer angehen und noch einen Abstecher von der geplanten Route nach Ghandruk zu machen.
Vor dem Abendessen schaute ich noch zu wie hierzulande Bretter und Balken händisch aus Baumstämmen gesägt werden. Das ist wahre Knochenarbeit!
Tatopani – Sikha
Die erste Freude des Tages: Schönes Wetter und nur ganz wenige Wölkchen am Himmel. Die Sicht ist trotzdem immer noch etwas „milchig“ und nicht so klar wie im Nachbartal. So konnte ich die „Großen“, die mir gestern verborgen blieben, aus etwas Entfernung sehen. Heute ging es wieder bergauf, im T-Shirt und kräftig schwitzend. Erstaunlich, wie schnell hier die Klimazonen durchlaufen werden.
Gleich nach Tatopani überholte mich ein Junge, der sich sehr „bemüht“ um mich zeigte. Zuerst zeigte er mir den Weg, den ich ohnehin gefunden hätte. Bei einem Stopp um mich etwas luftiger zu kleiden und ihn vorzulassen, wartete er 100 m vor mir. Schließlich und endlich hat er mich zu sich nach Hause eingeladen, um mir dort 3,5 kg Mandarinen zu verkaufen. Auf meinem weiteren Weg brauchte ich somit nichts mehr zu trinken, da ich zusehen musste, dieses zusätzliche Gewicht wieder loszuwerden. Zwei Kinder bettelten für die kernigen Mandarinen, gerne gab ich davon ab, aber nicht zu viel, um Wiederverkauf zu verhindern.
Am Nachmittag schlenderte ich ein bisschen durchs Dorf, beobachtete die Einheimischen bei der Arbeit und bestaunte die Blütenpracht – Anfang Dezember! Es ist deutlich zu merken, dass viele Wanderer den Annapurna Circuit mit dem Bus oder ab Jomson mit dem Flugzeug verlassen haben und die wenigen verbleibenden sich nicht den Aufstieg nach Ghorepani antun.
Zu Abend versuchte ich es wieder mit Fleisch oder besser gesagt Dahl Bat mit kleingehacktem Huhn -inclusive Knochen.
Sikha – Ghorepani
Eine kurze Etappe, aber ständig bergauf durch Anbauflächen, Weiden und durch Rhododendronwälder. Auffallend sauber war es und hin und wieder war eine Vorstufe eines Mülleimers, ein alter Sack an einem Baum aufgehängt. Aha! Naturschutz kann in Nepal auch funktionieren! Je weiter ich aufstieg, desto klarer wurde die Sicht. Eigenartige schwarze Flecken konnte ich auf den gegenüberliegenden „Hügeln“ erkennen, erst als ich bei einem Rauch aufsteigen sah, wusste ich, um was es sich hier handelt. Ein beklemmendes Gefühl überkam mich. Wie können Brände hier mit den spärlich zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft werden?
Früh in Ghorepani angekommen nutzte ich erstmal das seit langem wieder zur Verfügung stehende WLAN um meiner Büroarbeit nachzugehen mit meiner Frau zu telefonieren. Ich bin froh um ihr Verständnis, dass ich zur Erholung weg muss, da Zuhause für mich als Unternehmer keine Auszeit
möglich ist. Da Weitwanderungen für sie nichts sind und mit unseren schulpflichtigen Kindern sowieso nicht möglich wären, bin ich dankbar um ihre Einsicht.
Nach etwas Ausruhen ging ich zum Sonnenuntergang auf den Poon Hill. Die Eintrittsgelder werden lobenswerterweise Großteils zum Reinhaltung der Umwelt eingesetzt, was auch deutlich zu sehen ist. Es war unverkennbar, wer von den Wanderern nur den kurzen Poon Hill Trek macht und wer schon ein paar Kilometer weiter unterwegs ist. Es sind schon wesentlich mehr Leute am Weg, auch ist der lärmende und sich nicht zu benehmend wissende Tourist anzutreffen. So überholte ich ohne Rucksack mit Leichtigkeit so manchen schwer schnaufenden Kurzstreckenwanderer über die Stufen und den Weg hinauf zum bekannten Aussichtspunkt Poon Hill.
Oben angekommen bot sich ein unbeschreibliches Panorama, unten in den Senken sah man deutlich die dunstige Luft, welche ich schon die letzten Tage bemerkte. Langsam senkte sich die Sonne und ein unglaubliches Farbenspiel der Natur begann ihren Lauf. Minütlich änderte sich die Szenerie der Aussicht im Wechselspiel der Farben. Die eisgepanzerten Riesen glühen in der untergehenden Sonne, die wenigen Wolken wechseln die Farben von leicht grau nach orange – der absolute Wahnsinn!
Zuerst beabsichtigte ich, am Morgen gleich nach Ghandruk zu gehen. Fehlanzeige! Dieses Schauspiel der Natur muss ich mir unbedingt bei Sonnenaufgang ansehen. Eine kurze Nacht und ein langer Tag stehen mir bevor.
Ghorepani – Ghandruk
Noch im Stockdunkeln machte ich mich mit der Stirnlampe erneut auf dem Weg auf den Poon Hill. Schnell merkte ich, dass ich nicht alleine auf dem Weg war. Viele folgten der Empfehlung den Sonnenaufgang auf dem Aussichtshügel zu erleben. Man merkt auch an den Wanderern, dass wir ganz in der Nähe der Zivilisation sind. Der Besuch des Poon Hills und Ghorepani ist fast für jedermann in einem Kurzausflug von wenigen Tagen erreichbar. Ohne Gepäck und in den letzten Wochen relativ fit geworden, überholte ich unzählige schnaufende Möchtegerntrekker.
Der Himmel erhellte sich langsam, wobei die Silhouetten der Berge erkennbar wurden. Das Farbenspiel der Sonne blieb fast völlig aus. Kein Vergleich zum Geheimtipp Sonnenuntergang. Der Krach der massenhaften typischen Touristen störte mich und so ging ich zurück in meine Lodge. Auch beim Frühstück beeilte ich mich, der Lärm der neureichen Chinesen im Aufenthaltsraum dränge mich zum Gehen und ich hatte auch ein gutes Stück Weg vor mir…
Nach der Ortschaft kehrte bald wieder die geschätzte Ruhe ein. Von einem eher unbekannten Hügel hatte man ein ähnliches Panorama wie von Poon Hill. Weit konnte man ins hügelige Vorland des Himalayas blicken. Der Weg führte mehr oder weniger durch einen dichten Urwald. Wie aus dem Nichts stieß ich hin und wieder auf Häusergruppen mit Einkehrmöglichkeit. Hier wurden kilometerweise Wasserleitungen verlegt und sogar ein kleines Wasserkraftwerk errichtet, alles ohne Maschinen. Durch ein enges Tal verlor ich schnell an Höhenmeter, wohlwissend, dass ich diese zum Großteil wieder aufnehmen muss. Im Rhododendronwald war ich von Brennholzsammlerinnen beeindruckt, welche riesige Fuhren auf ihren Rücken packten und mit einer Art Stirnband schleppten. In Ghandruk fand ich eine Lodge mit fantastischem Ausblick auf Annapurna South, Chuili, Gangapurna, Annapurna III, Machapurache. Da es hier schon deutlich wärmer ist, bewunderte ich luftig bekleidet aus einem Plastiksessel vor meiner Tür den Farbenzauber der untergehenden Sonne.
Ghandruk – Pokhara
Nicht zuletzt wegen dem steilen Abstieg über Steinstufen auf dem Normalweg nach Nayapul habe ich den Abstecher nach Ghandruk gemacht. Naja, ich glaube, hier waren es noch mehr. Da es der letzte Tag meiner Wanderung war, war ich nicht gut drauf. Immer wieder drehte ich mich um und blickte mit Wehmut zu den Bergen. Ich wanderte durch Etagenfelder und durch kleinere Siedlungen und über unzählige Steinstufen vorbei an blühenden Sträuchern und Bananenstauden. Das Müllproblem war auch wieder da. Nichts mehr von der Sauberkeit wie um Ghorepani! Da kassiert man 40 € für Visum, 50 € für das ACAP und TIMS Permit (bei allein 12.0000 Besuchern in der Annapurnaregion pro Jahr kommt schon was zusammen) und ist nicht fähig einen Teil dieser Gelder für Umweltschutz auszugeben. Für mich absolut unverständlich.
Am letzten Checkpost vorbei, durch das Dorf Nayapul trottete ich etwas hinauf zur Straße. Es war ein komisches Gefühl nach etwas mehr als drei Wochen den Rucksack endgültig von den Schultern zu nehmen. Ich stoppte kurz vor der Straße, da dort schon die Taxifahrer auf ihre Fahrgäste lauern und hielt ein wenig inne. Freude den Annapurna Circuit alleine geschafft zu haben, kam zu dieser Zeit nicht auf. Vielmehr wünschte ich mich nach z.B. Braga zurück. Einen letzten Blick zurück und ich ging zur Horde Taxifahrer und lies mich in mein schon in Kathmandu gebuchtes Hotel nach Pokhara fahren. Nach einer ausgiebigen heißen Dusche und etwas Ruhe auf einer guten Matratze, ging ich zur Touristenmeile in Lakeside. An diesem lauen Abend gönnte ich mir in einem gemütlichen Gastgarten Steak und Bier und freute mich nun doch noch.
Pokhara
Meinen letzten Reservetag wollte ich mit einem Ausflug nach Sarangkot verbringen. Nachdem mich zwei Taxifahrer für die Fahrt dorthin abzocken wollten, habe ich diesen Plan fast schon begraben. Aber das Geschehen hatte ein weiter Taxler beobachtet und frage mich freundlich und gar nicht aufdringlich, wohin ich wollte. Ich teilte ihm mit, dass Sarangkot mein eigentliches Ziel gewesen sei, aber die Taxifahrt dorthin viel zu teuer (für nepalesische Verhältnisse) ist. Er machte mir ein vernünftiges Angebot mit einer Stunde „Wartezeit“ am Aussichtspunkt, sofort kamen wir ins Geschäft und fuhren los. Von Beginn an erklärte er mir alles mögliche Rund um die Stadt, Land und Leute.
Auf halben Weg hielt er plötzlich an, ich schaute ihn verwundert an und er führte mich auf einen Aussichtspunkt noch weit unterhalb des vereinbarten. Nach dem Kauf eines kühlen Erfrischungsgetränks ging die Fahrt weiter. Statt wie vereinbart beim Auto zu warten, ging mein Chauffeur mit mir auf den Hausberg Pokharas. Zu jedem Berg wusste er eine Geschichte zu erzählen und meinte, er könne mir auch ein Riverrafting organisieren, als wir auf den Fluss im Tal zu sprechen kamen. Die vereinbarte Stunde war schon längst vergangen, was ihn nicht störte, solange es mir gefalle. Er werde auch deswegen nicht mehr verlangen. Auf dem Rückweg machte er noch beim Startplatz der Paragleiter halt und wir verbrachten dort sicherlich eine weitere halbe Stunde. Wenn ich nur meinen eigenen Gleitschirm hier hätte… Als ich meinen Guide über das International Mountain Museum fragte, meinte er kurzerhand, dass wir das ansehen können – wohlgemerkt ohne Aufpreis! Auch im Museum erklärte er mir noch dies und das. Als er mich zurück zum Hotel brachte, freute er sich wie ein kleines Kind über die von mir durchgeführte Abrechnung. Auf der Shoppingmeile besorgte ich mir ein paar Mitbringsel für meine Lieben zu Hause und gönnte mir zum Abendessen wieder Fleisch und Bier.
Pokhara – Katmandu
Der Flug nach Kathmandu ging erst am Nachmittag, so nutzte ich den Vormittag aus, um auf dem See etwas zu paddeln und die letzten Blicke auf die Berge in mich aufzusaugen und mich etwas zu sonnen. Auf dem Flug wählte ich die linke Sitzreihe, um die Aussicht auf den Himalaya zu haben. Eine gigantische Bergkette! Wie am Anfang des Abenteuers in der Bergsteigeragentur vereinbart, wurde ich vom Flughafen Kathmandu abgeholt und ins Hotel gebracht.
Der Urlaub meines Lebens ist leider zu Ende. Aber ich werde Nepal wieder besuchen und auch genau diesen Runde nochmals laufen, zuvor gilt es den Three Passes Trek* zu gehen.
*Diese Tour – wieder im Alleingang – musste ich aufgrund meiner Auftragslage absagen, bin nun mit meinem Kumpel in der Planungsphase, diesen Trek im Frühjahr 2019 zu absolvieren.
ENDE:::::::
Unser Gastautor
Obwohl Bernd sich nicht gerade als „Vorzeigesportler“ bezeichnet, macht er hin und wieder in seiner Heimat Österreich/Vorarlberg/Montafon sowie der Schweiz, Italien und Frankreich die ein oder andere ausgefallene, brachiale Tour in die Berge. Mountainbike, Bergschuhe, Ski, Schneeschuhe, Gleitschirm, Stirnlampe sind dabei sein Equipment.
Als selbständiger Unternehmer und verheirateter Vater von zwei Söhnen sitzt seine Zeit nicht locker. An abenteuerlichen Zielen mangelt es Bernd trotzdem nicht. Geplant sind der Three Passes Trek und weitere Trekkingtouren im Himalaya, den Anden, Alaska, Kanada, Skandinavien und Sibirien; Haute Route, Grande Traversata delle Alpi, Valle Blanche Abfahrt bei Vollmond, ein 6000er, und Vieles mehr.
Willst auch du Gastauthor auf Burning-feet.com werden? Hier findest du alle Infos dazu.
Literaturtipps Nepal
Mein Buch über die Everest Region…
- (Mein Buch) Trekking Everest
- (Mein Buch) Trekking Annapurna Circuit
- Nepal: Mit Kathmandu, Annapurna, Mount Everest und den schönsten Trekkingtouren
- Nepal: Mount Everest Trek
- Mount Everest Trekkingkarte 1:25000
- Around Annapurna Wanderkarte
- Everest, Gokyo und 3 Passes Trek Wanderkarte
- Upper Mustang Wanderkarte
- Annapurna Treks
- Handbuch der Trekking- und Expeditionsmedizin
Lieber Bernd!
Es ist beeindruckend gewesen, deinen Bericht zu lesen und deinen Trip nochmals zu „durchleben“! Meine Hochachtung vor dir und deiner Leistung! Schön, dass ich daran teilhaben durfte!
Ich wünsche dir, dass du bald deine nächste Reise antreten kannst, um mir/uns wieder so spanndend und beeindruckend zu berichten!
Irene