Ol Doinyo Lengai in Tansania – Bergsteigen auf Gottesberg
Ol Doinyo Lengai. Diese verdammte Kälte mitten in Afrika. Ich liege zusammengekauert in einer kleinen Felsnische, die Knie angezogen, die Hände tief unter die Achseln vergraben und den Trekkingrucksack zum Schutz über das Gesicht gestülpt. Neben mir liegt mein Massai Guide unter seiner dünnen rot-schwarz karierten Decke und schläft seelenruhig, während ich vor Zittern kein Auge zu machen kann.
Der 2.890 Meter hohe Ol Doinyo Lengai, Gottesberg wie ihn die Massai vom Lake Natron am Ostafrikanischen Grabenbruch nennen, verlangt viel Demut ab. Es ist eine Stunde vor Sonnenaufgang und wir harren bereits seit einer Stunde in dieser Nische, 450 Höhenmeter unter dem Gipfel, bei Eiseskälte aus. Das war definitiv nicht der Plan als wir um Mitternacht mit dem Landcruiser aus dem Camp Richtung Ol Doinyo Lengai aufbrachen.
Aufstieg Ol Doinyo Lengai
Vollmond. Wie eine Sperrspitze der Hadzabe ragt der Ol Doinyo Lengai aus der flachen Steppe Ostafrikas. Der Landcruiser jagt durch die Finsternis. Im schwachen Gelblicht der Scheinwerfer tauchen die verängstigten Augenpaare vieler aufgeschreckter Zebras und Antilopen auf. Wie auf einer Rallye zirkelt Dismas das Allradmonster durch die Nacht und die Räder des Toyota Landcruiser wühlen sich durch die feine Lava-Erde.
Alles erscheint grau. Das staubüberzogene Buschgras beugt sich unter dem starken Wind an diesem Freitagmorgen und der Geruch von Schwefel zieht durch das offene Fenster.
Wir haben gute Laune, machen Späße. Wir, das sind meine tansanischen Freunde Dismas, Bruno, Shaban vom Stamm der Chagga, die jeweils über 200 Mal auf dem Kilimandscharo waren, mein lokaler Massai Guide und ich. Geballte Erfahrung, die keinen Zweifel über unseren Gipfelerfolg aufkommen ließ.
Auf 800 Metern über Meeresspiegel stoppte der Jeep. Der Mond schien so stark, das wir uns entschlossen den anspruchsvollen Aufstieg ohne Stirnlampen zu versuchen.
Das Steppengras ragte mir bis zur Schulter. Der Weg war unklar. Wer den Ol Doinyo Lengai besteigen möchte, braucht vor allem eines: Kondition. Permanent geht es bergauf. Der Untergrund ändert sich von Schritt zu Schritt. Von weichem staubähnlichem Sand zu erhärteter Lava, zu losem kiesähnlichem Geröll. Ein gefährlicher Mix, der den Untergrund in Kombination mit dem steilen Vulkankegel zu einer unberechenbaren Gefahr werden ließ.
Vulkanausbruch Ol Doinyo Lengai
Apropos Vulkan. Der Ol Doinyo Lengai hüllte uns in eine Wolke von beißendem Schwefel ein. Ein unangenehmer Geruch, der mit jedem Atemzug in die letzte Aveole der Lunge zog. Ein Geruch, der uns daran erinnerte, dass wir im Begriff waren auf ein aktives Pulverfass zu steigen. Mehr noch, der Ol Doinyo Lengai ist der weltweit einzige aktive Vulkan, der Karbonatitlava fördert. Diese spezielle Lava ist sehr dünnflüssig und besitzt die Viskosität von Wasser. „Wasser“, das bei einem Ausbruch an den Hängen heruntersprudelt und alles unter sich begräbt.
2007 fetzte eine riesige Eruption die Kuppel des Ol Doinyo Legai weg. Der Himmel verdunkelte sich und eine riesige, kilometerhohe Aschewolke wurde aus dem Erdinneren in die Atmosphäre geschleudert.
Über die Westflanke zum Kraterrand
Bis Ende 2008 spukte der Vulkan Lava und Asche aus. Zurück blieben vegetationslose Bergflanken und riesige Lavakanäle.
Durch genau diese brusttiefen Lavakanäle an der Westflanke stiegen wir Richtung Kraterrand auf. Der Wind frischte immer stärker auf. Der drückte mit gelassener Beständigkeit von rechts gegen unsere Körper und holte mich mehrfach fast von den Beinen.
Meine Lunge pumpte aber ich fühlte mich trotzdem kräftig und energiegeladen. Die letzten Wochen in Schottland und Irland, in denen ich über 800 Kilometer mit schweren Gepäck zurück gelegt hatte, zahlten sich jetzt aus.
Der Massai und ich legten das Tempo vor und meine Chagga-Freunde, die gerade am Anfang der Kilimandscharo-Saison standen, hechelten im Mondlicht hinterher.
Dumm nur, das wir deutlich zu schnell waren. Eine Stunde vor dem Zeitplan und 450 Meter unter dem Gipfel war Schluss. Zu diesem Zeitpunkt, bei diesen eisigen Temperaturen und hohen Windgeschwindigkeiten auf den Kraterrand aufzusteigen und uns schutzlos der Naturgewalt zu ergeben, war hirnrissig. Es blieb uns nur eine Möglichkeit. Wir mussten uns in einer kleinen Nische des Lavakanals, die kaum Platz für uns alle bot, einigeln und ausharren.
Sonnenaufgang am Ol Doinyo Lengai
5.15 Uhr, wir haben verpennt. Mit einem Blick auf die Uhr, rüttele ich den Massai Guide wach. Wir alle sind bis ins Mark durchgefroren. Keiner hat mit einer „Übernachtung“ im Freien knapp über dem Gefrierpunkt auf 2.500 Metern Höhe gerechnet, dementsprechend dünn ist unsere Kleidung.
Es tut weh wieder etwas Gefühl in die Finger zu bekommen aber viel Zeit bleibt nicht. Der Horizont über dem Ngorongoro Krater färbt sich bereits langsam bunt.
Das Gelände wird immer unberechenbarer. Die 45° steile Bergflanke des Kraterrandes ist mit einer dicken, gelbweißlichen Schicht aus Natron überzogen. Beim Berühren kribbelt und brennt diese Paste an den Händen und die Schuhsohle findet keinen Halt.
Unter meinen Füßen gibt der Boden nach. Ich trete Steine los, die wie Geschosse in Hang hinunterpurzeln oder muss Steinen ausweichen, die mein Massai Guide über mir auf die Reise schickt. Ich muss jeden Schritt zweimal Durchdenken obwohl keine Zeit mehr dafür bleibt. Will ich es bis zum Sonnenaufgang auf den Gipfel des Ol Doinyo Lengai schaffen, muss ich noch schneller Klettern.
Der Schwefelgeruch wird unerträglich. Ich bekomme Kopfschmerzen und muss mich fast übergeben, als wir auf den letzten 100 Höhenmetern einen großen Riss im Lavateppich passieren, aus dem dicke, weiße Schwefelschwaden aufsteigen.
Das letzte Stück ist eine Tortur. Ein steiler Lavateppich, der mit Asche überdeckt ist. Ich rutsche weg. Kann mich gerade noch zwei Meter tiefer halten. Wer hier die Balance verliert, der stürzt hunderte Meter hinab.
Endlich. Ich habe es bis zum Kraterrand geschafft. Unter mir eröffnet sich eine senkrechte, hundert Meter tiefe Caldera. Alles ist aschgrau. Dämpfe steigen auf und mehrere kleine Vulkane spucken weißen Qualm.
Nur noch wenige Minuten bis zum Sonnenaufgang und ich entschließe mich dem Kraterrand zur Gegenüberliegenden Seite zu folgen. Dort, wo die Sonne im Osten über der Steppe aufgeht.
Der Pfad auf dem Kraterrad ist sehr schmal, lediglich eine Person kann darauf laufen. Der Wind weht immer noch stark aus Norden kommend und die Spitze des Ol Doinyo Lengai ist in eine dichte Wolkendecke gehüllt.
6.15 Uhr, ich habe es pünktlich zu meinem Aussichtspunkt am östlichen Kraterrand geschafft, doch wie ich sehe, sehe ich nichts. Die Wolkendecke schiebt sich vor die Sicht und wir hocken uns auf den Kraterrad um Schutz vor dem eisigen Wind zu suchen. Es war die richtige Entscheidung 450 Meter unter dem Gipfel abzuwarten. Eine Stunde hier oben hätten wir definitiv nicht ausgehalten.
Wie einem schnulzigen Hollywood-Drehbuch entsprungen, reizt die Wolkendecke im passenden Moment auf. Just im Moment wo die Sonne sich goldgelb am Horizont erhebt, deckt sie uns auf dem Gipfel mit wärmenden Sonnenstrahlen ein.
Für mich ist das das größte der Gefühle beim Bergsteigen oder Bergwandern. Ein Gefühl von Frieden und Unendlichkeit, das mich überfällt wenn ich bei Sonnenauf- oder Sonnenuntergang auf dem Gipfel eines Berges bin.
Abstieg Ol Doinyo Lengai
Der Abstieg vom Ol Doinyo Lengai ist grauenvoll und sehr gefährlich. Ich weiß nicht wie viel Erfahrungen du beim Bergwandern oder Bergsteigen auf Vulkanen hast, aber mir persönlich fällt der Abstieg immer schwerer als der Aufstieg. Der Ol Doinyo Lengai macht da keine Ausnahme.
Es ist verdammt rutschig und mit meinen einfachen Salewa Mountain-Running Schuhen, fand ich keinen Halt in der steilen Bergflanke. Trotz eines Trekkingstockes von meinem Massai Guide, bin ich 4 Mal gestürzt. Dabei habe ich mir auf den scharfkantigen und brüchigen Gestein den Unterarm und die Hände aufgerissen. Blut floss und meine Trekkinghose bekam einen zusätzlichen Belüftungsschlitz am Hintern.
Alle von uns stürzten mindestens 1 Mal, und das obwohl sie Bergstiefel hatten und normalerweise mit Augen zu und Flipflops den Mount Meru oder Mount Kilimanjaro hoch- und runterrennen.
Oft wünschte ich mir Mirco Spikes während ich den Hang hinunterschlidderte und war froh, dass ich gegen 10 Uhr ohne ernsthafte Verletzungen zurück am Toyota Landcruiser war.
Kosten Besteigung Ol Doinyo Lengai
Nichts ist umsonst, auch nicht die Besteigung des Gottesberg (Ol Doinyo Lengai). Wenn ihr individuell reist, so wie ich, müsst ihr erst einmal den Eintritt zum Lake Natron Nationalpark bezahlen.
- Wegzoll für die Durchquerung von Massai Gebieten (3 Dörfer je 20 USD)!!!
- Kosten Ol Doinyo Lengai = 100 USD pro Person + Trinkgeld Guide
- Übernachtung im Nationalpark: unterschiedlich, z.B. auf Massai-Zeltplatz 10 USD pro Nacht
- Weitere Aktivitäten: Lake Natron (20 USD), Wasserfälle (20 USD), Footprints (20 USD)
Mein Fazit Besteigung Ol Doinyo Lengai in Tansania
Die Besteigung des Ol Doinyo Lengai über die Westflanke ist nichts für Anfänger. Seit dem letzten Ausbruch des Vulkans ist die Route durch Lavakanäle und der starken Erosion gefährlich geworden.
Früher galt der Ol Doinyo Lengai als technisch einfach zu besteigen und als ein Vulkan, der lediglich konditionell anspruchsvoll ist. Heute (Mitte 2016) dagegen, möchte ich das so nicht stehen lassen. Selbst geübte Bergsteiger testen hier die Strapazierfähigkeit ihrer Hosenböden. Kein Wunder also, dass ich erst der 46te war, der diesen Berg 2016 bestieg.
Soweit ich weiß, wird aktuell an einer alternativen Route zum Gipfel gearbeitet, die über die Ostseite führt. Ob und wann sie fertig gestellt wird, ist noch unklar.
Die Erfahrung Ol Doinyo Lengai ist die Strapazen von 3.200 Höhenmetern aber wert. Eine Besteigung des aktiven Vulkans kannst du wunderbar mit einen Besuch des Lake Natron Nationalparks in Tansania verbinden.
Wenn ich den Ol Doinyo Lengai mit nur 3 Adjektiven beschreiben sollte, würde ich sagen: wagemutig, abenteuerlich und unberührt.
Bewertung Ol Doinyo Lengai
- Abenteuerfaktor: 3 von 5 Sternen
- Infrastruktur: 1 von 5 Sternen
- Schwierigkeitsgrad: 4 von 5 Sternen
- Individualfaktor: 4 von 5 Sternen
- Natur/Landschaft: 5 von 5 Sternen
Literatur Tansania
- Kilimandscharo für Lebensmüde
- Tansania, Sansibar, Kilimanjaro: Reiseführer für individuelles Entdecken
- Autokarte Tansania
Meine komplette Kilimandscharo Packliste findest du >>> hier <<<
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