Mein Pangani : Vom Leben & Arbeiten am Ushongo Beach
Ein dickes Wundpflaster am Kopf und die abrasierten Haare mit einer antiseptischen Salbe eingefärbt, so lernte ich unsere Gastautorin Steffi kennen. Das war im August 2016 am Ushongo Beach in Tansania, kurz nach ihrem Autounfall im Busch und zwei Tage vor meinen 33ten Geburtstag.
Zufälle schreibt das Leben und spontane Begegnungen machen das Reisen reisenswert. Im heutigen Gastbeitrag berichtet Steffi von Pangani an Tansanias Ostküste und gibt Einblicke in den „Alltag“ einer Deutschen, die dort arbeitet und lebt, wo andere sich nur hinträumen oder bestenfalls einmal im Leben Urlaub machen. Viel Spaß beim Lesen.
Mein Leben in Pangani
Hallo, mein Name ist Steffi und bin seit Anfang Januar 2016, mit einigen Monaten Unterbrechung, in Pangani. Genaugenommen lebe und arbeite ich in einem Hotel am Ushongo Beach, welcher noch 16 km südlich von Pangani liegt aber zum gleichnamigen Distrikt gehört. Stefan hat ja bereits ausführlich in seinen früheren Berichten über wichtige Teile der Geschichte Panganis berichtet. Ich möchte euch etwas darüber erzählen, wie es ist, in diesem Örtchen an der tansanischen Swahili-Küste dauerhaft zu leben.
Im Januar 2016 kam ich, ohne Vorstellung was mich erwarten könnte, in Pangani an. Es war meine erste Reise auf den afrikanischen Kontinent und ich bin, ohne mich vorher groß über Tansania zu informieren, einfach drauflos gereist. Eine Info hatte ich noch irgendwo im Hinterkopf, nämlich die, dass die Küstenregion Tansanias größtenteils muslimisch ist und man deshalb Schultern und Knie bedeckt halten sollte. So saß ich in langer Kleidung bei 38 Grad Außentemperatur im Bus und ließ die staubige Hitze wie auch die neuen Eindrücke auf mich einwirken und fragte mich, ob ich mir diese Sache mit dem Praktikum in Tansania wirklich gut überlegt hatte. Angekommen in Ushongo fand ich mich überwältigt von einem paradiesischen, einsamen Strand, der für die nächsten Monate mein Zuhause sein sollte. Nie hätte ich zu diesem Zeitpunkt geglaubt, wie sehr dieser kleine Teil der Erde mich an sich fesseln würde.
Meine ersten Ausflüge nach Pangani und auch nach Tanga, die nächstgrößere Stadt, welche ca. 50 Kilometer entfernt liegt, empfand ich als abenteuerlich. Zwischen Ushongo und Pangani gibt es keine öffentlichen Verkehrsmittel, so muss man sich ein Piki Piki (Motorradtaxi) bestellen, welches die 16 Kilometer über rote Sandstraßen nach Pangani heizt. Bevor man allerdings den Stadtkern erreicht, muss die breite Flussmündung des Pangani River mittels Fähre überquert werden. Natürlich gibt es keinen Fahrplan, trotzdem verkehrt die Fähre zwischen 7 und 22 Uhr mehr oder weniger regelmäßig. In Pangani gibt es einen kleinen Marktplatz, von dem auch die Kleinbusse nach Tanga starten, eine Bank, eine Post, eine Polizeistation, ein Krankenhaus und ein Gefängnis, in welchem es skurrilerweise eine Bar gibt. Dort kann man fernsehen und Bier trinken und es scheint ganz normal, dass hin und wieder ein Gefangener vorbei läuft.
Von Heißhunger auf Schokolade und einem Autounfall im tansanischen Busch
Was ich an meinem Wohnort liebe, ist die Abgeschiedenheit. Mir gefällt die Vorstellung einer Weltkarte, auf der ich mich als kleinen Punkt auf dem afrikanischen Kontinent sehe. Mir gefällt es, dass ich zwei bis drei Stunden über sandige Straßen fahren muss, bis ich in der Stadt Tanga bin. Es löst in mir ein Gefühl von Abenteuerlichkeit aus. Mir gefällt es, dass ich innerhalb einer Stunde im nächsten Nationalpark (Saadani National Park) bin und Giraffen und Elefanten in ihrem natürlichen Lebensraum beobachten kann, weil es in mir ein Gefühl von Ursprünglichkeit auslöst.
Schwierig wird es erst, wenn plötzlich ein akutes Verlangen nach Schokolade auftritt. Schokolade gibt es nämlich, wenn überhaupt, nur in Pangani oder in Tanga. Ich erinnere mich an einen regnerischen Tag, letztes Jahr im April, als ich im Bett lag und hin und her überlegt habe, ob ich tatsächlich den beschwerlichen Weg nach Pangani auf mich nehmen soll, der bei Regen und schlammigen Straßen ein bis zwei Stunden in Anspruch nimmt, nur um mein Verlangen nach einem Snickers zu befriedigen.
Aber Spaß beiseite, richtig schwierig wird es nämlich bei gesundheitlichen Beschwerden. Zwar gibt es in Pangani ein kleines Krankenhaus, jedoch kann dieses nur tagsüber erreicht werden, wenn die Fähre verkehrt. Auch sind Hygienestandards nicht gewährleistet und es können, aufgrund mangelnder Ausrüstung, nur Standard-Untersuchungen durchgeführt werden. Das Problem der medizinischen Versorgung war mir gar nicht richtig bewusst, bis ich letztes Jahr im August in einen Autounfall verwickelt war. Und zwar, nachdem die Fähre ihren Dienst für den Tag eingestellt hatte. Glücklicherweise war ich bei Bewusstsein und konnte einen Freund anrufen, der sich gleich auf den Weg machte um das verunfallte Auto zu suchen. Eine Wunde am Kopf blutete stark und musste genäht werden. So kam ich also in eine winzige Dorfklinik, in der man meine Haare abrasierte, die Wunde mit Handytaschenlampen ausleuchtete und schließlich nähte. Ich hatte ganz schön Glück im Unglück, denn ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn ich schlimmere Verletzungen gehabt hätte. Genauer drüber nachdenken möchte ich allerdings auch nicht. Das ist eben der Nachteil, wenn man in der Abgeschiedenheit Tansanias lebt. Ich denke, darüber muss man sich im Klaren sein und für sich entscheiden, ob man damit leben kann.
Der Alltag in Pangani: Möchtest du etwas Tee in deinen Zucker?
Am Marktplatz in Pangani gibt es einige kleine Stände an denen man Kaffee und Chai bekommt. Tansanischer Chai wird meist aus Ingwer, Zimt und Pfeffer gemacht, dem später in der Tasse viel, viel Zucker beigemixt wird. Die Tansanier lieben Zucker und süßen ihre Speisen und Getränke extrem stark. Eine Tasse bekommt man für 100-200 tansanische Shillinge, was ca. 4 – 8 Cent sind. Was schnell auffällt wenn man in Tansania unterwegs ist, sind die Leute. Sie sitzen überall in den Dörfern unter großen Bäumen und beobachten Geschehen auf der Straße, so auch in Pangani auf dem Marktplatz.
Auf den Straßen wird mir oft „Mzungu“ (Weiße), vor allem von Kindern, hinterhergerufen, oder ich werde mit „Mambo“ (Alles klar?) oder „Habari“ (Hallo, wie geht’s dir?) angesprochen. Für jede Begrüßungsfloskel gibt es eine Antwort und bevor man ein Gespräch startet, werden locker drei bis vier von diesen Floskeln ausgetauscht. Zugegeben, anfangs war mir etwas unheimlich zumute, weil mir alle paar Meter auf den Straßen etwas zugerufen wurde (und immer noch wird) und ich nicht wusste, was all die Leute von mir wollen. In westlichen Kulturkreisen ignoriert man sich ja eher auf den Straßen, als dass man Unbekannte mit einem fröhlichen „Hallo, wie geht’s?“ begrüßt. Mittlerweile allerdings freu ich mich über diese netten Begrüßungen und ich glaube die Tansanier freuen sich genauso, wenn ich mit ihnen Begrüßungsfloskeln austausche. Außerdem kann man sich so ganz leicht von den Touristen abgrenzen. 🙂
Wie aus einem Praktikum in Tansania (Ushongo) ein neues Zuhause für mich wurde
Während meines fünfmonatigen Praktikums letztes Jahr merkte ich, wie ich mir selbst immer näher kam und mich besser kennen lernte. Ich war vielen Situationen ausgesetzt, die mich verunsicherten, die ich aber trotzdem irgendwie meistern musste. Überhaupt merkte ich, dass all meine Gefühle hier intensiver sind, als ich es jemals in Deutschland erlebt habe. Freude, Glück, Traurigkeit, Angst. Mit jedem Tag konnte ich mir weniger vorstellen, mein Leben in Deutschland so weiterzuleben wie zuvor. Tansania hatte sich in der kurzen Zeit zu meinem Zuhause entwickelt, welches zu verlasse ich mir nicht mehr vorstellen konnte. Umso glücklicher war ich, als mir, durch einen für mich praktischen Zufall, der Managerposten im Hotel angeboten wurde.
Was mir besonders am Leben in Tansania gefällt ist die Unkompliziertheit. Natürlich, einiges wie z.B. Bürokratie ist kompliziert und Vorschriften auch manchmal willkürlich, anderes dagegen ist einfach und unkompliziert. Ich habe schon Sachen erlebt, die wären in Deutschland so bestimmt nicht möglich. Da wären zum Beispiel einmal die Motorradtaxis, die an (fast) jeder Ecke stehen und Menschen und Waren überall hinbringen. Man springt einfach auf und fährt los. Da fällt mir folgendes Beispiel ein: ich war mit Freunden unterwegs und die Stimmung war trinkfreudig. Bald wurde nach einer Flasche Konyagi Schnapps verlangt. Jedoch wusste niemand, wo am Abend noch Konyagi herzubekommen war. Ich rief einen bekannten Motorradfahrer aus Pangani an, der sofort zustimmte und in Pangani zu einer Bar fuhr, Konyagi kaufte und damit bis zur Fähre gefahren ist, die Flasche einem Fahrer von „meiner“ Seite des Flusses übergab, der sie dann, für umgerechnet vier Euro, zu mir gefahren hat. Für mich als Europäerin sind vier Euro kein großes Geld. Für viele Einheimische wäre so etwas jedoch undenkbar, da sie es sich einfach nicht leisten könnten. Ich finde man sollte sich darüber im Klaren sein, dass man mit so einer Aktion mal eben den Tageslohn eines Tansaniers ausgibt.
Da ich viel arbeite, wird mir selten langweilig. An meinen freien Tagen fahre ich oft nach Tanga in die Stadt und gehe dort auf den Markt, wo Neues und Gebrauchtes aus aller Welt verkauft wird. Ganz ehrlich und unter uns: Ich finde, dass man in keiner Mall so gut einkaufen kann wie auf dem „Tangamano“ in Tanga. Wenn man ein bisschen Geduld mitbringt und sich vom Gedränge und vom allgemeinen Chaos, welches dort herrscht, nicht abschrecken lässt, kann man echt tolle Sachen finden.
Natürlich gibt es auch Situationen, die mich frustrieren. Zum Beispiel wenn mal wieder der Bus stehen bleibt und ich irgendwo im Nirgendwo am Straßenrand stehe. Ich glaube, es gab mehr Busfahrten, auf denen irgendein Problem aufgetreten ist, als Busfahrten, die reibungslos verliefen. Wenn ich dann aber abends den Sonnenuntergang anschaue, ist der Ärger ganz schnell wieder vergessen. Zusammengefasst kann ich sagen, dass mir das Leben in Tansania sehr gefällt. Nicht mal die fast täglichen Stromausfälle, das lahme Internet oder das kalte, salzige Wasser, mit dem ich tagtäglich dusche, können daran noch etwas ändern. 🙂
Ein schöner, authentischer Gastbeitrag von Steffi über Ushongo Beach und Pangani, die eine lohnende Alternative zum touristisch überlaufenden Sansibar darstellen.
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