Trekking Lofoten: Wenn Nordlichter am Firmament tänzeln
Trekking in Norwegen: Unsere Gastautorin Anna entführt dich in ihrem farbenfrohen Reisebericht an die zerklüftete, außergewöhnlich raue Atlantikküste der Lofoten. Immer auf der Suche nach der Aurora Borealis, dem Polarlicht, trotzt sie mit Zelt und Rucksack den widrigen Wetterbedingungen, um sich den Traum eingefleischter Outdoor-Enthusiasten zu erfüllen. Viel Spaß beim Lesen.
Lofoten Reisebericht
„Friluftsliv“ – Leben im Freien. Ein Begriff der in Norwegen zur Philosophie, kultureller Identität und zum Lebenstil geworden ist. Raus. „Ut!“ wie die Norweger sagen- Egal zu welchem Wetter, zu welcher Jahreszeit. Je unberührter die Natur, desto besser, desto intensiver. Ein Platz zum Durchatmen können. Erleben. Grenzen erfahren. Überschreiten.
Das Leben in der Natur ist in Norwegen nicht nur Teil des Alltags, sondern auch inhalts- und namensgebend für das Studienprogramm „Outdoor Studies“, welches ich für ein Semester in Norwegen studieren durfte.
Das schöne an einem solchen Studiensemester ist nicht nur, dass man sich anstatt von grauen Bibliothekswänden, im Wald, den Bergen oder am Meer wiederfindet und das man von Menschen umgeben ist, die auch bei Minusgraden, Sturm und Regenwetter voller Begeisterung das Zelt einem Hotel vorziehen.
Auf der Suche nach noch mehr Erfahrung, Abenteuerpotentialen, nach noch mehr Norwegen, haben wir uns deshalb Anfang Oktober 2018 zu fünft von Oslo in Richtung Norden aufgemacht. Unser Ziel: die Lofoten. Eine Inselgruppe, die für den unglaublichen Mix aus Bergen und Meer in unmittelbarer Nähe bekannt ist.
Abgesehen von unserem Ziel, einem Mietwagen und der Festlegung, dass das ab jetzt das Zelt für die nächsten 10 Tage unsere Unterkunft sein wird, stand die Reise unter dem Motto “planlos geht unser Plan los“. Wenn sich dabei ein was bestätigt hat, dann das Spontanität für die besten Erlebnisse sorgt. Von einigen davon möchte ich euch hier berichten.
Die Route
Na gut, zugegebenermaßen hatten wir doch eine kleine Ahnung, wo es wann hingehen sollte. Beginnen sollte die Reise in Moskenes, am südlichen Ende der Lofoten. Von dieser kleinen Stadt wollten wir die Inseln Richtung Norden erkunden und später auch die naheliegende Halbinsel Senja anfahren. Einmal angekommen, ist das wunderbare an den Lofoten, dass man auf jeden Berg steigen und jede Bucht erkunden kann. Daher folgten wir ab Moskenes dem Rat unseres Lehrers: „Wollt ihr jetzt eine Aufreihung von Orten hören an den man halten muss? Dann muss ich euch enttäuschen. Imposante Aussichten und einsame Buchten findet ihr an den Lofoten an jeder Ecke. Haltet einfach da wo es euch gefällt.“ Auch er war anscheinend ebenfalls ein Verfechter des Mottos „Planlos geht der Plan los“ Also: Gesagt, getan.
Lofoten – 4 Jahreszeiten an einem Tag
Wenn man denkt es würde sich lohnen für die Lofoten den Wetterbericht zu lesen, dann zeugt das durchaus von gutem Planungswillen, ist aber leider vollkommen nichts bringend. Durch ihre geografische Lage bedienen die Lofoten gerne alle vorstellbaren Wettergegebenheiten an einem einzigen Tag. Aus strahlendem Sonnenschein kann innerhalb von Minuten Hagelschauer und Sturm werden. Und wenn man denkt zwei Steine pro Zelthering würden ausreichen, dann wird einem spätestens die nasse Zeltwand im Gesicht des nachts eines Besseren belehren (ich rede aus Erfahrung).
Besonders imposant erlebten wir den Zusammenspiel von Wetter und Natur am Kvalvika Beach. Einem Strand an der Westküste der Lofoten, der einerseits für seine Abgeschiedenheit und zum anderen für den Berg Ryten bekannt ist, der direkt nördlich des Strandes aus dem Boden ragt. Zu erreichen ist der Strand nur per Fuß über herabgestützte Steinbrocken. Bei gutem Wetter kein Problem. Bei Regen und Sturm jedoch, werden die Oberflächen der Steine spiegelglatt und sorgen in Kombination mit starkem Wind für zahlreiche potentiellen Verletzungsquellen.
Nach circa 40 Minuten Wanderung, mit erfolgreicher 200m Streckenzurücklegung, hat man selbst in den erfahrensten unserer Gruppe Sorgenfalten gesehen. Wenn ich vorhin geschrieben habe, dass Friluftsliv oft mit dem Austesten eigener Grenzen einhergeht, dann war genau das wohl eine solche Situation. Aber Grenzen sind ja bekanntlich dazu da überschritten zu werden und nach dreistündiger Wanderung, einigen Stürzen und einer kaputten Angel (warum auch immer wir dachten unbedingt in der Nacht fischen zu müssen) sind wir mehr oder weniger unversehrt am Strand angekommen. Um vor dem Wind geschützt zu sein, wählten wir eine kleine Bucht südlich des Strandes als Übernachtungsplatz aus. Durch das Zusammenspiel des aufgewühlten Meeres und das umringt sein meterhoher, schroffer Berge, erwartete uns an diesem Ort eine ganz besonders mystische und in beeindruckender Weise sehr bedrückende Atmosphäre. Die Gänsehaut, die uns am Abend zuvor durch die Mächtigkeit der Natur überkam, hielt auch am nächsten Morgen an. Aus einer stürmischen und wilden Nacht, lag das Meer in vollkommener Ruhe vor uns und nur noch vereinzelte Wolken des Unwetters verdeckt die morgendlichen Sonnenstrahlen. Im Tageslicht entdeckten wir sogar noch riesige Wirbelkörper die vermutlich von einem gestrandeten Wal stammten.
Nachdem „Ryten“ im Finstern eine eher einschüchternde Wirkung hatte, ließen wir es uns nicht nehmen die 2,5 kilometerweite Wanderung zum Gipfel zu bestreiten und wurden mit einem atemberaubenden Blick auf die Bucht belohnt.
Als wir Kvalvika Beach am Abend verließen, taten wir dies mit gemischten Gefühlen, aber vor allem dem Gedanken, wie Natur im einem Moment unbezwingbar und bedrohlich wirken kann, um im nächsten zum Ruhepol und sicheren Hafen zu werden.
Die Nacht, in der der Himmel tanzte
Wenn man in den Norden Norwegens reist, dann immer mit der kleinen Hoffnung, die berühmten Nordlichter am Himmel beobachten zu können. Inzwischen hat es das Phänomen zu so viel Bekanntheit geschafft, dass es sogar Apps gibt, die die Wahrscheinlichkeit für die grünen Lichter am Himmel vorhersagen.
Auch wenn der Zauber wohl noch viel größer ist, wenn die Lichter ohne Vorahnung auftauchen, ließen wir es uns nicht nehmen, an Tagen wo die App „GO!“ anzeigte, besonders lange den Himmel zu beobachten. Das ganze lief bei uns unter dem Begriff „Northern-lights-check“ und wurde mindestens aller 30 Minuten durchgeführt. Nachdem uns die ersten Nächte nur wolkenverschleiert empfingen, glaubten wir beim routinierten „Northern-lights-check“ nur noch wenig an Erfolg.
Unsere Übernachtung auf dem Berg Breidtinden sollten das ändern. Geplant war ursprünglich der Aufstieg zum Gipfel und auch die Übernachtung in Gipfelnähe. Durch dieses Vorhaben machte uns allerdings die unerwartete Schneehöhe einen Strich durch die Rechnung. Die Nacht in den Bergen wollten wir uns jedoch trotzdem nicht nehmen und entschieden uns dafür, etwas weiter unterhalb der Schneegrenze einen Zeltplatz zu suchen. Kein Schnee heißt aber leider noch lange nicht kein Wind. Wenn Wind so stark wird, das man sich dagegen lehnen kann ohne umzufallen, kann man sich vorstellen, mit wie vielen Steinen die männliche Verstärkung in unserer Gruppe in dieser Nacht die Zeltheringe sicherte (ab diesem Tag nannten wir unser Hilleberg Zelt nur noch „the fortress“).
Bei solchen Wetterverhältnissen verbringt man die Zeit am besten im windgesicherten Zelt, trinkt Grogg und spielt Karten. Aber auch hier wurde der Northern-Lights-Check allerdings ernstgenommen und in regelmäßigen Abständen durchgeführt. Nachdem wir das Spiel 20 mal ohne Erfolg unterbrechen mussten, und immer wieder kalte Nachtluft ins Zelt ließen, waren wir fast schon zu bequem geworden, den Kopf überhaupt aus dem Zelt zu stecken, nur um wieder enttäuscht zu werden. Beim 21. Mal aber schauten wir nach oben und der ganze Himmel strahlte. Er strahlte und tanzte. Über unsere Zelte zogen grüne und leicht rötliche Streifen von Polarlichtern vorbei. Einige von uns versuchten das Schauspiel per Kamera festzuhalten, andere (die wie ich mit weniger fotografischem Talent ausgestattet waren) genossen den Blick Richtung Himmel mit den Berggipfeln im Rücken und der Meeresbucht in der tiefen Ferne. Egal was es für wissenschaftliche Erklärungen es für die sogenannten Aurora Borealis gibt, in diesem Moment kann man verstehen warum die Vikinger in ihren spirituelle und göttliche Kräfte sahen.
In dieser Nacht schliefen wir mit offener Zelttür, Gänsehaut und dem Blick Richtung Himmel ein und erwachten am Morgen mit steifem Nacken und dunklen Augenringen aber unglaublich dankbar dieses Erlebnis geteilt zu haben.
Die Nordlichter sollten noch einige weitere Nächte über unseren Köpfen tanzen, jedoch nie wieder so imposant und leuchtend wie in der Nacht auf Breidtinden.
Nach 3 Wochen Lofoten und ein paar Tagen in den Lyngen Alps haben wir nur einen kleinen Teil von dem gesehen, was diese Inselgruppe zu bieten hat. Deshalb verließen wir den Norden Mitte Oktober mit dem festen Vorhaben wiederzukommen. Warten doch auf den Lofoten noch so viele Gipfel, einsame Strände und Nordlichternächte, die es zu entdecken gilt. Fürs Erste hat uns der Trip jedoch riesig an Erfahrung, Erinnerungen und Zusammengehörigkeit bereichert und ist zu einem Highlight meines Norwegenaufenthaltes geworden.
Für alle die auf der Suche nach ein bisschen mehr „Friluftsliv“ im Leben sind und die der Norden fasziniert – die Lofoten werden euch nicht enttäuschen! Um Karawanen aus Campervans und Selfiestickbesitzern zu vermeiden, geht nicht im Sommer. Im Herbst oder Frühjahr sind die Lofoten zwar um einiges rauer und unberechenbarer, aber solang ihr haufenweise Steine auf euere Zeltheringe legt und keine Angelruten mit auf stürmische Wanderungen nehmt, sind die Lofoten der beste Ort für alles was „Friluftsliv“ zu bieten hat.
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Vielen Dank an Anna für ihren tollen Reisebericht. Wenn auch du wie Anna etwas Außergewöhnliches erlebt hast und die Burning-Feet-Community daran teilhaben lassen möchtest, schreib mir eine E-Mail. Wie das im Detail geht, erfährst du unter diesem Link.
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